Mein Geliebter, den ich liebe

Schöne gefühlvolle Liebesgedichte und Liebeslieder von unbekannten ägyptischen Dichterinnen.

Mein Geliebter, den ich liebe

Mein Geliebter, den ich liebe,
ich schmachte nach seiner Liebe.
Alles ist bereit;
sieh nur, sieh, was ich tu.

Zum Vogelfangen gekommen,
trag ich mein Vogelnetz bei mir,
in der einen Hand meine Falle,
in der anderen Fangnetz und Wurfholz.

Sieh, all die Vögel von Punt
streichen, nach Myrrhe duftend,
nieder auf Ägypten;
der erste Vogel, der landet,
betört von meinem Köder,
duftet nach Punts Wohlgeruch;
seine Krallen tränkt Balsam.

Danach steht mir der Sinn:
mit dir ihn loszulassen,
mit dir allein zu sein,
wenn er den Freiheitsruf ausstösst,
mein Vogel, nach Myrrhe duftend.

Schöneres kenne ich nicht,
wenn ich die Stricke spanne,
als dass du da bist, bei mir;
herrlich: der Gang übers Feld,
dem Geliebten entgegen.

Die Stimme der Wildgans schreit:
sie ward vom Köder betört.
Auch ich bin betört von deiner Liebe,
ich kann mich nicht mehr befreien.

Ich hole die Netze herunter;
was soll ich der Mutter sagen?
Zu ihr kehr ich täglich zurück,
mit gefangenen Vögeln beladen.
- "Keine Falle gestellt, mein Kind?"
- "Ich lief selbst in die Falle der Liebe."

Mein Herz steht still.

Seh süsses Backwerk an,
wähne ich Salz zu sehen.
Ein Likör, süss meinem Mund,
dünkt mich Vogelgalle.
Dein Atem nur
kann mein Herz zum Leben bringen.

O, liesse ein Gott währen,
was ich gefunden habe,
für immer und allezeit.

Ach, du bist so schön -
das Verlangen überkommt mich,
alles mit dir zu teilen
als Herrin deines Hauses.
Dass dein Arm ruhe auf meinem Arm!

Doch kühlte deine Liebe zu mir ab,
und ich sage meinem Herzen und mir selbst:
mein Gewaltiger hat sich von mir
abgewendet, diese Nacht.
Ich bin gleichsam schon begraben.

Bist du nicht mein Licht, mein Leben,
du der du Freude bringst,
wenn du zu mir kommst?
Denn mein Herz ist nur gesund,
wenn du mich begehrst.

(Unbekannte ägyptische Dichterin, um 1500 v.Chr. entstanden)

Quelle: Schöner Jüngling mich lüstet dein, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main, 1988.

Die Liebste ging vorbei

Die Liebste ging vorbei, hat Sherbet mir gebracht,
Berauschen woll'n wir uns in Wein die halbe Nacht,
Ich schwör's, kommt die Geliebte wieder her,
Thu Thaten ich, die Antar* nicht vollbracht.

O Maid! die Ärmchen zeigt Dein seidnes Hemd zerrissen;
Um Deiner Augen Schwarz wir für Dich fürchten müssen!
Berauschen möcht' ich mich und Deine Wangen küssen,
Und Thaten thun, die Antar nicht vollbracht!

Sie geht vorbei, und füllet den Ardshilih**;
Und Rosenwasser ist darin - fast will es scheinen,
Arglist'ger Plan steck' in dem Sinn der Kleinen;
Wann spricht sie zu mir: komm, laß Liebesrausch uns einen?

Mein Jammern durch die Nacht währt bis zu Morgens Helle,
Um sie, die stahl mein Herz, die einsame Gazelle!
Ich schwör's, kommt meine Liebste hier zur Stelle,
Thu Thaten ich, die Antar nicht vollbracht!

O Thräne meines Aug's! was zog dich auf die Wangen?
Sie spricht: der Liebsten Fernsein mehret Dein Verlangen.
O Schönste! übe Gnad' an dem, der ganz gefangen!
Erblinde der, der kalt sieht Deiner Augen Pracht!

O Dunkelfarb'ge! mit zwei weißen Rosen***!
Durchdüftet ist meine Lieb' jedwede Festesnacht****;
Ich schwör' es, kommt sie mit mir zu kosen,
Thu Thaten ich, die Antar nicht vollbracht!

(Ägyptisches Liebeslied)

Quelle: deutsche-liebeslyrik.de

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